Ein guter Coach tut nicht das, was seine Klient*innen von ihm erwarten. Erwartungen gehören zum Bezugsrahmen, aus dem Anliegen entstehen. Wer den Bezugsrahmen übernimmt, macht sich zum Teil des Problems.
Wer beauftragt wird, Angst zu nehmen, läuft Gefahr sie zu zementieren.
Wer Lösungen liefert, bekräftigt das Gefühl der Hilflosigkeit.
Wer wirkt, ohne zu widersprechen, wirkt mit – aber nicht hilfreich.
Gute Coaches arbeiten nicht bezugsrahmenkonform. Sie unterbrechen, lenken auf eine andere Ebene, verweigern Zustimmung zur Dramaturgie des Leids. Sie verstehen den Dialog zwischen Verstand und Gefühl, sie machen betroffen, gerne mit Charme, Humor, Geschichten, Aphorismen. Das macht erst einmal nicht beliebt, aber wirksam. Das ist unsere Aufgabe.
Und: Sie sind unbequem. Wer nicht innerhalb der ersten Stunden gemeinsamer Arbeit zum Störfaktor wird, arbeitet wahrscheinlich kosmetisch – nicht existenziell.
Der Coachingmarkt jedoch liebt Kosmetik. Er bietet Rezepte, Methoden, Routinen, Planspiele. Und erzeugt die Illusion, tiefe seelische Prozesse ließen sich in kurzen Lehrgängen erfassen, erklären, bearbeiten. Bullshit.
Wer so coacht, bedient Erwartungen – aber nicht Menschen. Es kommt vor, dass Menschen Rezepte und Kosmetik erwarten, geradezu fordern. Das Gesagte gilt auch dann. Gute Coaches gehen dann besser.
Komplexität ist nicht rezeptfähig.
Tools folgen dem Kontext – nicht dem Kalender.
Präsenz schlägt Plan.
Demut schlägt Technik.
Gute Coaches ruhen in sich – aber nicht, weil sie sich sicher fühlen. Sondern weil sie sich aus ihrer Selbstwahrnehmung heraus stabilisieren, im Spiegel der Klient*innen, in der Unsicherheit der Welt. Kompetenz zeigt sich nicht im richtigen Tun, sondern im achtsamen Lassen.
Und vielleicht ist das der einzige wirklich nützliche Leitsatz: Der Sinn des Lebens ist nicht zu funktionieren. Der Sinn des Lebens ist: zu leben.
Bild: Alberto Giacometti: L’Homme qui Marche
