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Eine Gebrauchsanweisung für alle, die es gerne einfach haben – notiert in dunkler Vorahnung auf einem hellen Küchentisch.
Prolog: Die Qual der Wahl
Früher, da war alles einfacher. Da hieß es: Entweder du bist für den Fortschritt – oder gegen ihn. Entweder Pommes oder Salat. Entweder schwarz oder weiß. Und wenn du Pech hattest: entweder Pest oder Cholera.
Diese klare Welt war beruhigend. Man konnte sie mit dem Lineal vermessen, mit Parteiprogrammen erklären und mit Stammtischparolen lösen. Die Welt hatte Struktur!
Heute? Dieselben Sprüche, andere Verpackung. „Entweder Wirtschaft oder Klima!“ – rufen sie. Oder „Wohlstand oder Wärmepumpe!“.
Wirklich? Ernsthaft? Ächt?
Die große Show der Scheingegensätze
Willkommen zur „Entweder-Oder-Gala 2025“. Die Bühne ist bereitet. Auftritt: die ewigen Duelle, besser: Scheinduelle, Windmühlenkämpfe. Nur mal eine kleine Auswahl:
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Wirtschaft vs. Klima:
Als ob ein Planet mit brennenden Wäldern, schmelzenden Polkappen und zerstörter Biodiversität ein verlässlicher Investitionsstandort wäre.
Aber gut, fragen wir mal den DAX, ob er Sonnencreme auf seine Bilanzen schmiert. -
Industrie vs. Nachhaltigkeit:
Als hätten Windräder und Solarpanels noch nie Jobs geschaffen.
„Grün macht arbeitslos“, heißt es. Dieselbe Erzählung wie früher: „Frauen in Führungspositionen machen Männer depressiv.“
Die Realität ist leider weniger dramatisch – aber auch weniger schlagzeilentauglich. -
Fairness vs. Leistung:
Nur wer unten bleibt, motiviert die da oben – das kennt man aus autoritären Regimen, Eliteschulen und schlecht gemachten Motivationsseminaren. -
Veränderung vs. Sicherheit:
Die Königsdisziplin aller politischen Sonntagstalks.
„Die Leute haben Angst!“ – Nein, sie haben Schnauze voll vom Angstgemache.
Woher kommt der Unsinn?
Ich hab Luhmann gelesen. Und Kahneman. Pu Bär und Hägar den Schrecklichen.
Und alle sagen in trauter Einigkeit: Menschen lieben einfache Erzählungen.
Ein „Entweder-Oder“ ist sexy. Es macht uns handlungsfähig – oder zumindest handlungsillusioniert.
Es macht Entscheidungen scheinbar möglich, obwohl es doch genau das verhindert: Komplexität ernst nehmen.
Die Ökonomie? Hat uns jahrzehntelang erzählt: Inflation oder Arbeitslosigkeit. Darum kreiste seinerzeit meine Diplom-Arbeit im Fach Wirtschaftswissenschaften.
Die Managementlehre? Qualität oder Kosten. Das Mantra jedes Produktionsleiters. Die Politik: Stadtbild oder Migration. Die Anbiederung an Rechtspopulisten.
Die Erziehungsratgeber? Strenge oder Liebe. Küchentischhobbypsychologen eiern da noch heute herum und hinterlassen ratlose Eltern. Großeltern sind da schon abgeklärter, aus Erfahrung.
Alle haben sie Unrecht (die Großeltern natürlich nicht!). Weil sie das Dritte nicht sehen: die Verbindung, das Sowohl-als-auch, die Systemdynamik. Das Wichtigste: sie übersehen das Leben!
Und die Realität?
Sie lacht. Weil sie nicht linear, nicht binär, und schon gar nicht wahlweise funktioniert.
Wachstum und Klima? Ja, wenn wir lernen, anders zu wachsen: in Qualität, Kooperation, Bildung, Kultur, Gemeinsinn.
Sicherheit und Veränderung? Ja, wenn wir Vertrauen bauen – in Menschen, Prozesse, Lernfähigkeit.
Fairness und Leistung? Unbedingt, wenn wir endlich kapieren, dass Menschen keine Zahnräder sind, sondern Resonanzwesen.
Satirisches Fazit für Blödköppe:
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Wer heute noch „Entweder Wirtschaft oder Klima“ ruft, hat vermutlich auch das letzte Mal 1982 gegessen, weil er sich nicht zwischen Löffel oder Gabel entscheiden konnte.
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Wer glaubt, Veränderung macht unsicher, war noch nie auf einem guten Rockkonzert. *
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Und wer denkt, Leistung sei das Gegenteil von Menschlichkeit, hat noch nie mit einem Krankenpfleger über Nachtschichten gesprochen.
Epilog: Eine Einladung
Lasset uns schreiben, denken, streiten – und lachen über die Dummheiten der Welt.
Nicht zynisch. Aber mit Haltung.
Nicht besserwisserisch. Sondern einladend.
Für all die, die neugierig sind.
Für die anderen: keine Sorge, die kommen auch noch. Später. Vielleicht. Oder auch nicht. Macht nix.
PS: Ich biete Seminare an: „Entweder-Oder war gestern – Denken für Fortgeschrittene“. Teilnahme kostenlos.
Voraussetzung: Neugier.
Ausschlusskriterium: Ideologische Verstopfung.
*Rockkonzert? Ja, wirklich. Dort herrscht Lärm, Dichte, Unerwartetes – und niemand ruft nach „Sicherheit“. Man lässt sich treiben, schwitzt, jubelt, schreit – Veränderung als kollektives Erlebnis. Wer das aushält, wird auch die Wärmepumpe schaffen.

Genau so ist es leider
Danke 🙂