Würden Sie freiwillig ein Theaterstück besuchen, in dem sie sich überwiegend langweilen? Das Bühnenstück können Sie nur mit Einschränkung selbst wählen. Letztlich müssen Sie noch damit rechnen, selbst zur Zielscheibe von Kritik durch den Intendanten zu werden, der in einem undurchsichtigen Verfahren Ihre Rollenspielfähigkeiten beurteilt. Die meisten von uns besitzen ein Mehrjahresabonnement für so ein Theater und besuchen es fast täglich. Die Begeisterung lässt natürlich nach, wir sind unzufrieden, häufig mit uns selbst. Wir machen aber weiter, versuchen gar es zu perfektionieren, weil wir es für alternativlos halten.
Glauben Sie mir nicht? Doch, unser Unglaube entsteht nur durch den Verlust an sprachlicher Präzision. Arbeit macht Freude, wenn sie Sinn stiftet und wertschöpfend ist. Erfüllt sie diese Bedingungen nicht, nennt Lars Vollmer sie „Theater“. Arbeit ist zum Theater geworden, weil ein den Anforderungen der Wirklichkeit nicht gerecht werdendes Arbeitssystem uns zur Übernahme von Rollen auf der Vorderbühne zwingt. Diese Rollen sind vor allem systemgerecht, aber immer weniger sinnvoll und wertschöpfend. Oft genug übernehmen wir freiwillig zusätzliche Rollen auf der Hinterbühne. Dort engagieren wir uns unter Umgehung der Normen der Vorderbühne, damit noch etwas Sinnvolles hinter den Kulissen des Theaterarbeitslebens entstehen kann. Denn eigentlich würden wir ja gerne, wenn wir wollen dürften …..
So verstanden macht Lars Vollmers Forderung nach mehr Arbeit statt Theater Sinn. Nach Toyotas Muri, Muda und Mura (das sind die drei Arten der Verschwendung aus dem Toyota-Produktions-System) bringt Lars Vollmer es mit der Benennung der vierten Art der Verschwendung auf den Punkt: Menschen, die statt zu arbeiten Arbeit spielen. Nicht weil sie dumm wären, sondern weil das System sie nicht anders lässt.
Klagen über und Leiden unter unseren Arbeitsbedingungen sind für einen Coach und Berater, der sich mit sich und der Welt kritisch auseinandersetzt überall spürbar. Mit Frust und Ärger in vielen Workshops und Beratungssituationen, mit Lust und Begeisterung bei vielen Initiativen und Netzwerken, die sich mit Möglichkeiten zur Verbesserung beschäftigen. Für Frustrierte und Begeisterte ist Lars Vollmers Buch eine Schatzkiste. Sie finden Argumente und Erklärungen, die Durchblick verschaffen. Sie finden Leuchttürme, die Richtung weisen. Aber eben nicht die eine universell richtige, sondern die Ihre. Finden müssen Sie schon selber. Rezepte gibt es nicht. Dieses wunderbare Buch schenkt Ihnen eine gut eingerichtete Küche mit vielen bunten Zutaten. Bloß kochen, das müssen Sie selber.
Danke, lieber Lars, für dieses überzeugende und unterhaltsam geschriebene Buch, das ich Frustrierten und Begeisterten unbedingt zum Lesen und Verstehen empfehle. Es bringt den Stand des Diskurses und der Fragen aus vielen Initiativen, Netzwerken, Workshops, persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen großartig auf den Punkt. Besonders wichtig finde ich die Klarstellung des Arbeitsbegriffes: Arbeit ist im eigentlichen Sinne Wertschöpfung! So kann Sprache wieder zur Klärung beitragen, statt uns mit Allgemeinplätzen zu vernebeln.
Gratulation zur vergriffenen Erstauflage. Gut, dass es noch Ebooks und bald eine Zweitauflage gibt.