Landpomeranze: Gegenwind – Eine metaphysische Konstante

Foto von James Toose auf Unsplash

Es gibt Fragen, die begleiten einen durchs ganze Leben.
Warum ist Montag immer so plötzlich?
Was macht eigentlich Günther Jauch, wenn er nicht moderiert?

Und es gibt Fragen, auf die kommt man in den zugebauten Straßenschluchten der Stadt niemals. Doch auf dem Lande, wo die Bäume sich im Winde wiegen und biegen, wo Ackerhalme keinen Unwetterschutz in Feld und Flur bieten: Da drängen sie sich förmlich auf, diese Fragen. 
Etwa: Warum kommt beim Radfahren der Wind immer von vorn? Immer!!!

Ich bin kein Meteorologe. Aber ich bin leidenschaftlich unterwegs, oft per E-Bike (hatten wir hier schon), zu Recherchezwecken. Und ich schwör: Der Wind kennt mich. Er ist hinterlistig. 
Er lauert.
Er wartet.
Er beobachtet meinen Start – und dreht dann. Beliebig, immer im falschen Moment in die falsche Richtung. .

Egal ob ich in Richtung Nordost oder Südwest fahre: Immer kommt mir ein entschlossener Luftstrom entgegen. Ich nenne ihn „Holger“. Das klingt freundlich, ist es aber nicht.

Und das Seltsame: Auch auf dem Rückweg – obwohl es sich rechnerisch um eine Gegenbewegung handeln müsste – wieder Gegenwind.
Ich habe es ausprobiert. Ich bin im Kreis gefahren. Ich habe heimlich die Richtung gewechselt. Ich habe es sogar rückwärts fahrend versucht. Ich habe mich unter einem Hoodie versteckt, damit Holger mich nicht erkennt. Selbst in finstrer Nacht.
Nichts. Holger bleibt mir auf den Fersen.

Natürlich könnte man sagen: „Fahrtwind! Wahrnehmung! Selbstbetrug!“
Aber ich glaube nicht an Zufälle, wenn sie so penetrant auftreten.
Ich glaube, Gegenwind ist mehr als Wetter.
Er ist eine pädagogische Maßnahme.

Er erinnert mich daran, dass Freiheit etwas wiegt.
Dass Bewegung immer auch Widerstand bedeutet.
Und dass Landleben vielleicht nicht idyllisch ist, aber ehrlich.

Ich habe mich arrangiert. Ich trete nicht mehr gegen Holger an. Ich grüße ihn.
Manchmal sogar mit einem Lächeln.
Denn wenn ich ehrlich bin:
Der Wind mag von vorn kommen. Das schöne Gefühl zu guter letzt nach Haus in die warme Stube zu kommen ist es wert.

Nur Rückenwind? So ist das Leben nicht, das wäre lebensfremd.

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Anselm Bußhoff
Anselm Bußhoff
1 Tag zuvor

Das Radeln zwischen Hühnern, Rasenmähern und Laubsaugern scheint ganz schön fordernd. Aber ausschließlich Gegenwind? Ist das denn lebensnah? Würde meinen, auf zwei Rädern ist der Fahrtwind ein stetiger Begleiter! Auf dem Biobike meist weniger, auf dem E-Bike eher mehr! Bei künstlichem Rückenwind hält „Holger“ halt dagegen! Schreibste ja selbst: Bewegung erzeugt Widerstand. Also mehr Physik als Meteorologie! Oder eher Gefühl denn Fakt? Oder einfach eine Geschichte zum Schmunzeln: Martin rudert im Gegenwind – das gibt‘s doch gar nicht! 😉

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