Mal kurz mal eben folgendes:
New Work ist ein Flutschbegriff. Das drückt aus, dass Begriffe wie dieser die Kommunikation so richtig flutschen lassen. Man kann sich über Dinge unterhalten, über die man eigentlich gar nicht sinnvoll sprechen kann, weil man nicht genau weiß, was der andere tatsächlich meint. Wir unterstellen mal, dass man selbst weiß, worüber man redet. Die babylonische Bedeutungsvielfalt von Flutschbegriffen ermöglicht die ungestörte Fortsetzbarkeit von Gesprächen. So plätschern Unterhaltungen ohne Gehaltvolles zu sagen, zu hören oder Erkenntnisgewinn zu erzielen. Hört sich im ersten Moment blöd an, ist aber eine intelligente Bewältigungsstrategie, denn Beteiligte können ohne Risiko hemmungslos weiter aneinander vorbeireden.
Ich hab den Begriff „New Work“ ab und an in diesem Blog auch benutzt. Allerdings schon länger nicht mehr oder er ist mir versehentlich rausgeflutscht. Jetzt werde ich zum konsequenten Abstinenzler, weil das soziale Netzwerk Xing, besser die „Xing SE“ beschlossen hat, sich in „New Work SE“ umzubenennen. Eine Idee, die selbst mein hartgesottenes Ego zu verzweifeltem Kopfschütteln nötigt. Bruchlandung!
Schon in den letzten Jahren hat Xing versucht, den Begriff und seine flutschigen Inhalte für sich zu instrumentalsieren. Einen Award hat es gegeben, das Land und die Anhänger des New-Work-Sammelsuriums wurden mit kommerzialisierten Inhalten und Veranstaltungen überzogen, die vor allem dem Xing-Geschäftsmodell nutzen. So weit gegangen ist es fast folgerichtig, nun auch noch Wort- und Bildnamensrechte für sich zu reklamieren. So erklärt Xing in einer offiziellen Verlautbarung: „New Work ist somit gleichsam das Leitmotiv für alles, was wir als Unternehmen tun. Durch die Umfirmierung machen wir New Work zur weithin sichtbaren Klammer um all unsere Aktivitäten.“
Über die Qualität der PR mögen andere entscheiden, der Inhalt ist eine unverschämte Frechheit. Weder hat Xing „New Work“ erfunden noch ist Xing der einzige oder entscheidende Mitspieler auf dem Flutsch-Feld New Work. Selbst ein Nicht- oder nur Gelegenheits-Nutzer dieses Begriffes, der Historie und Wurzeln der „Erfinder“ von New Work achtet, fühlt sich durch diesen Akt enteignet und instrumentalisiert. Die Unsicherheiten über die Auslegung und Rechtssprechung in Sachen Namensrechte wird alle im Umfeld dieses Begriffes Agierenden in eine unerträgliche Rechtsunsicherheit führen. Jemand, dem wirklich etwas an Inhalten oder der Bewegung liegt müsste schon vor diesem Argument die Reißleine ziehen und Abstand nehmen. Wird es noch „New-Work-Konferenzen“ geben? Oder Beratungs- oder andere Dienstleistungen? Nur noch von Xing, oder? Wird sich künftig jeder einfach so den Namen einer sozialen Bewegung aneignen können, um damit sein Geschäft zu betreiben?
Es war einmal eine ernste und gut gemeinte Idee von Menschen mit vielen Idealen. Jeder mag dazu seine eigene Meinung haben. Heute haben sich unter dem Dach viele Menschen wieder versammelt, die aufrichtig über die Zukunft der Arbeitswelt und Unternehmensführung reden wollen. Egal, ob sie sich mit dem Namen schmücken oder wie ich ihn aus Flutsch-Gründen eher vermeiden. Manchmal ist ein löchriges Dach besser als gar keines, um Unkundigen etwas zu erklären. Nun haben wir die totale kommerzielle Instrumentalsierung. Oder instrumentalisierte Kommerzialisierung? Egal, beides schädlicher Mist. Damit wird New Work endgültig zum Buzzword wie schon Agilität, Design Thinking und andere, die von Könner-Frameworks zu industrialisierter Massenware geworden sind (siehe auch hier). Wenn man mit Namen und Zertifizierungen mehr verdient, als mit professionellem Können, dann ist das Ende in Sicht.