Es war einmal und es ist immer noch so, dass der Mensch im Mittelpunkt der Bemühungen von eifrigen Personalern, Vor-Gesetzten und Coaches steht. Sie bilden gelegentlich unheilige Allianzen, die bemüht sind Menschen so zu entwickeln (ein anderes Wort für beeinflussen, verändern – oder gar für dressieren), damit sie in das von Stellenbeschreibungen geformte Arbeitsumfeld passen und bestmöglich „performen“.
Kann man Menschen entwickeln? Wenn man könnte, sollte man? Wer gibt einem das moralische Recht dazu? Welches sind die objektiven Maßstäbe, die einen bestimmten Bedarf an Entwicklung bestimmen? Warum kann nicht jeder selbst entscheiden, welche Entwicklungsschritte für ihn geeignet sind? Sind Menschen überhaupt entwicklungsbedürfig? Oder sind es vielmehr diejenigen, die über Entwicklungsbedarfe anderer meinen entscheiden zu müssen? Über die Selbstüberschätzung und die Unfähigkeit, einem selbst unbekannte Fähigkeiten erkennen zu können habe ich hier schon geschrieben.
Ich bin davon überzeugt, dass Personaler, Berater und Coaches ihre verbreiteten Sichtweisen zu diesem Thema überdenken sollten. Klar, ein gutes und ehrliches Feedback nutzt. Das ist soziales Lernen, nichts dagegen zu sagen. Ein Sparringspartner, ein Diskurs über ein wichtiges persönliches Thema oder eine zu lösende berufliche Aufgabe ist großartig. Jeder wird aus einem Feedback oder rituellen Dissens gestärkt und mit neuen Gedanken seine Dinge anpacken. Darum geht es bei Personalentwicklung und Coaching aber meistens nicht. Viele denken hier mit messianischem Eifer und prozessualer Logik daran, ein ganz bestimmtes Bild in Stein zu meißeln, in das die zu Entwickelnden unter zusätzlichem Einsatz von Incentives, irgendwelchen (Pseudo-)Methoden, gutem Zureden, Druck und anderen Dressurmitteln hinein entwickelt werden sollen.
Menschen sind viel mehr bestimmt durch ihre Interaktionen mit anderen, ihren sozialen Umfeldern und physischen Gegebenheiten als durch irgendwelche angeborenen Fähigkeiten oder erlernten Kompetenzmodelle. Kategorisierungen sind weder als Diagnose noch als Zielbilder geeignet. Wir sollten endlich damit aufhören Menschen mit der Sprache industrieller Steuerung als Ressourcen oder Gestaltungsobjekte in Schubladen zu stecken. Alle Erfahrungen aus Coaching und Beratung zeigen, dass die Veränderung eines Systems, die Schaffung von Räumen und Erfahrungen mit neuen Interaktionsmöglichkeiten mehr und wirksamere Veränderungen bewirken als alle Modelle der Personalentwicklung und des „Coaching mit Zielen“ („Bringen Sie meinen Mitarbeitern mal Teamgeist bei!“). Es ist nicht die Aufgabe von Personalern und Coaches zu sagen, wie Mitarbeiter eigentlich sein sollten!
Führung in einem komplexen Umfeld braucht schnelles Feedback und zeitnahe Interventionen in für Veränderungen günstigen Situationen. Gutes Verständnis der kontextualen Bedingungen eines Systems und die Bereitschaft diese zu gestalten ist die effektivste Strategie, um neue Verhaltensmuster zu stärken. Führung, Personaler, Berater und Coaches tun gut daran, ihre Aufmerksamkeit stärker auf die Architektur einer Organisation zu richten, sie gibt Ideen und Anhaltspunkte, was man mal neu probieren sollte, welche Veränderungen möglich und sinnvoll erscheinen. Das ideale Ziel gibt es in dispositionalen Systemen niemals (heißt: es ist nicht prozessual vorherbestimmt; es entwickelt sich aus den Interaktionen der Beteiligten – es ist also komplex!). Vereinfachende Maßregeln über Verhalten und idealisierte Werte als anzustrebendes Zukunftsbild sind wertlos. Es zählt nur, was jetzt und hier geschieht, das ist das evolutionäre Potential des Momentums. Das Einzige, was wirkt. Nur machen muss man.
Erfolg hat drei Buchstaben: T U N!
Maddin, das hast du wieder einmal wunderbar auf den Punkt gebracht! Vielen Dank fuer diesen prima Impuls!
danke, liebe jenny! :))
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