Landpomeranze trifft Hühner-Start-Up

Ich besitze keine Hühner. Noch nicht. Aber ich habe Nachbarn, die welche haben. Und das reicht völlig, um sich regelmäßig zu fragen, ob man es nicht doch selbst wagen sollte – mit dem Federvieh und der ländlichen Eierproduktion. Die Hühner meines Nachbarn jedenfalls laufen frei über den Hof, picken am Kompost, ignorieren alle Kräh-Lärmschutzverordnungen und wirken dabei deutlich entspannter als viele Führungskräfte, die ich kenne. Glückliche Hühner eben.

Das Erstaunlichste an der Geschichte: Die Hühner haben ein PayPal-Konto. Kein Scherz.
Neben dem Stall steht ein Kühlschrank – rund um die Uhr geöffnet – mit frischen Eiern. Darauf ein laminiertes Schild:
„Bitte 3,50 Euro für 10 Eier – Bar oder PayPal.“
Darunter die E-Mail-Adresse und ein Barcode, die die Hühner vermutlich selbst eingerichtet haben. Vielleicht sogar mit Zwei-Faktor-Authentifizierung – sicher ist sicher.

Und dann stehst du da. Mitten in der Nacht, nach einer Rückfahrt aus der Stadt, plötzlich hungrig. Du denkst an Spiegeleier. Und Du weißt: Kein Problem. Du parkst, öffnest den Kühlschrank, nimmst die Eier, zückst das Handy – und überweist an die Hühner.

So sieht Vertrauen auf dem Land aus. Kein Türsteher, keine Videoüberwachung, keine digitale Eier-App mit Push-Benachrichtigung. Nur Hühner, Eier und eine stille Vereinbarung: Wir vertrauen dir. Du vertraust uns. Und bitte schließe den Kühlschrank wieder ordentlich. Leergut vom letzten Einkauf – natürlich auch auf Vertrauensbasis – bitte in der Kiste unter dem Kühlschrank deponieren. Danke!

In der Stadt wäre das ein Kunstprojekt. Hier ist es Alltag.
In der Stadt hättest du Diskussionen über Hygiene, Kühlung, Daten- und Verbraucherschutz. Hier hast du Spiegeleier – und eine Geschichte fürs Leben.

Natürlich gibt es auch eine Schattenseite. Seit ich weiß, dass Hühner bis in die Nacht und im Schlaf PayPal-Einnahmen generieren, frage ich mich, was ich eigentlich mit meiner Zeit mache. Diese Tiere sind unternehmerischer als so mancher selbsternannte Start-up-Coach. Ich meine – 24/7-Betrieb, keine Tarifverträge, kein WLAN, und trotzdem läuft der Laden, und das sogar verbraucherfreundlich. Vielleicht sind Hühner einfach die besseren Gründer. Henne Berta weiß, was Verbraucher wünschen.

Ich überlege, ob ich ihnen einen Business-Plan schreibe. Oder sie zum nächsten Barcamp einlade. Vielleicht machen sie auch bald selbst in Consulting. Sie hätten genug Erfahrung in Teamdynamik, Konfliktvermeidung und Futterverteilung.

Aber bis dahin freue ich mich einfach weiter über frische Eier. Und das Gefühl, dass irgendwo in einem Dorf Hühner leben, die vertrauen. Digital und analog. Und das ist mehr, als man über viele Organisationen sagen kann.

PS: Dies ist nun der zweite Beitrag der „Landpomeranze“. Das Feedback nach dem ersten Blog war so, dass ich daraus ab sofort eine eigene Rubrik machen muss. Ich werde also weiter über das Leben einer Landpomeranze schreiben, nicht nur, aber auch. 

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Elke Schumacher
Elke Schumacher
20 Tage zuvor

Vergnüglich zu lesen, vielen Dank!

Anselm Bußhoff
Anselm Bußhoff
20 Tage zuvor

Wo biste da nur hingeraten? 😉

Büter
Büter
20 Tage zuvor

Herrlich ehrlich – gut recherchiert 😄 Abo selbstverständlich
Schönes Wochenende

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