Schleifen

Foto: https://unsplash.com/@priscilladupree

Ich bin wieder da
Noch immer ein Star
Noch immer ein Held
Für kein Geld der Welt
War nie wirklich weg
Hab mich nur versteckt
Und eines ist sicher
Ich geh nie wieder weg

 Ich bin wieder hier
In meinem Revier
War nie wirklich weg
Hab mich nur versteckt
Ich rieche den Dreck
Ich atme tief ein
Und dann bin ich mir sicher
Wieder zuhause zu sein

Natürlich ist es kein Zufall, dass mir gerade jetzt das Lied von Marius Müller-Westernhagen durch den Kopf geht. Auch ich war hier eine Zeit lang weg. Kreative Schaffenspausen müssen mal sein, Nachdenken, reflektieren. Gewohnte Bahnen verlassen, kein „mehr desselben“. Auch privat habe ich einiges umgekrempelt, nicht ohne Schmerz und Trauer, vor allem aber mit Glück und Optimismus für die Zukunft. Passt daher, nicht nur die zitierte Passage, der gesamte Song, von Beginn an.

Nicht nur mein Mikrokosmos ist nicht der alte geblieben. Die Pandemie hat alte Arbeitsformen obsolet gemacht, manche neuen haben sich bewährt, mit anderen wird experimentiert und wieder andere warten darauf zur Idee zu werden. In diesen Tagen ganz aktuell erfahren wir die Nähe eines Krieges, der täglich zu eskalieren droht. Alte Gewissheiten haben ausgedient, neue gibt es erst mal nicht, alles ist unsicher.

Großen Umwälzungen spürt man erst, wenn sie geschehen. Angst geht um, denn die Turbulenzen dieser Welt finden nicht mehr an deren anderem Ende statt, sondern vor der Haustüre, in der Gasleitung, der Steckdose und der Tankzapfsäule. Klar, und im eigenen Herzen sowieso. Das macht Angst. Pandemie, Klimakrise, Krieg, die Liste lässt sich fortsetzen. Unser Umgang mit den kleineren Krisen stimmt nicht gerade optimistisch, was die Fähigkeiten zur Lösung der großen angeht. Ich gebe es zu: es kommen gelegentliche Zweifel an unserer Überlebensfähigkeit. Könnte so passieren, könnte aber auch ganz anders kommen. Zukunft ist auf schmerzliche Weise unbestimmt!

Menschen verhalten sich paradox. Wir sind im tiefsten Sinne soziale Wesen, Kooperation ist evolutionär vorteilhaft. Doch empathische Fähigkeiten können leicht umschlagen in paranoiden Hass, der das Selbst in kritischen Situationen stabilisieren hilft. Diesen Zusammenhang bezeichnet man als das „Goodness-Paradox“, das wir gerade live in unserer näheren und weiteren Umgebung beobachten können von pessimistischen Klagen bis zur Verschwurbelung. Wir lassen uns viel erzählen, hören aber nicht, was man uns sagt.

Doch Angst ist die Schwester der Hellsicht! Chaos eröffnet Chancen, wir müssen sie nur sehen und ergreifen. Wer den Krieg gewinnt, kann die Sache verlieren. Krise und Chaos sind Wendepunkte, Nietzsche lässt Zarathustra sagen, dass es Chaos zur Geburt eines neuen Sterns braucht. Das geschieht natürlich nicht im Selbstlauf, was tun müssen wir dazu schon. Der Krieg öffnet auf schmerzhafte Weise neue Wege zu einer regenerativen Energiepolitik, möglicherweise führt er zum Ende manch autokratischer Herrschaftsform. Wir wissen es nicht. Optimismus wäre naiv. Doch wenn Angst statt Lähmung Kraft und Energie freisetzt, dann haben Vernunft und Weisheit eine Chance. Das weiß ich aus ganz persönlicher Erfahrung in meinem Mirokosmos.

Quelle:https://www.beaminc.com/staying-curious-blog/2019/4/19/x4lf1qi8tgrcn8x3untjilf6wwwhjl Quelle:https://www.beaminc.com/

Die Welt und wir folgen keinen geradlinigen Entwicklungswegen. Veränderungen haben einen Bogen der Dominanz des Gewohnten. Auf dem Weg zu seinem Höhepunkt zeigen sich erste Risse und Erschütterungen, Vorboten des Neuen. Aus ihnen entwickelt sich der Bogen der Emergenz, wo Pioniere sich vernetzen, neue Wege ausprobiert werden. Das Alte krümmt das Neue, aus einem Gleichgewicht entwickelt sich durch ein Krise, Chaos, Emergenz und Schmerz der Fortschritt in einen neuen Gleichgewichtszustand. Das ist Dynamik, sie ist in der Welt und in persönlichen Entwicklungsprozessen zu erkennen.

Ich bin gerade mitten drin. In mehrfacher Hinsicht. Im Mikrokosmos und im Makrokosmos. Alles kommt wieder, aber eben anders.

Was wir wählen, unsere Angst oder unseren Glauben, unsere Verwundbarkeit oder unseren Glauben an etwas Besseres, bestimmt die Qualität unserer Kraft und Gefühle. Die Polarität des Alten und des Neuen, des Gewohnten und der Emergenz des Neuen sind unausweichlich. Unsere Pendelbewegungen dazwischen hängen ab von dem Maß an Mut, Offenheit und Verletztlichkeit, mit dem wir bereit sind, Herz, Verstand und Seele zu öffnen. Größe und Frust sind keine Gegensätze, sie liegen nah beieinander.

 

 

 

 

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