Pandemie der Dummheit

Quentin Matsys: Allegorie der Dummheit; Quelle Wikimedia https://en.wikipedia.org/wiki/Quentin_Matsys

Friedrich Schiller meinte, dass die Götter selbst vergebens gegen sie kämpfen. Dietrich Bonhoeffer und Claudio Cipolla hielten sie für gefährlicher als Boshaftigkeit. Gunter Dueck sieht sie als systemimmanentes Schwarmphänomen, auch bekannt als „Albrechts Law“: Intelligent people, when assembled into an organisation, will tend towards collective stupidity. Gemeint ist in allen Fällen die Dummheit und ich fürchte, die vier genannten haben so recht wie meine Mutter, die mir ähnliche Merksätze bei passender Gelegenheit häufig zur Mahnung oder zum Trost vorhielt. Ich bin also vorbelastet, habe mich daher hier, hier und hier bereits als entschlossener Kämpfer gegen Dummheit positioniert. Doch gegen Pandemien kann man nicht entschlossen genug vorgehen, es hat schon genug Leute gepackt. Daher mach ich es noch einmal  …….

Bonhoeffer hielt die Dummheit für besonders gefährlich, weil sie mit hoher Selbstzufriedenheit einhergeht. Der Dumme ist glücklich mit sich selbst, er bewundert sich und seine Leistung. Die Wissenschaft hat dieser Beobachtung mit dem „Dunning Krueger-Effekt“ ein Denkmal gesetzt. Cipolla beschreibt Dummheit als etwas, was anderen schadet ohne dass der Dumme selbst einen Nutzen davon hat. Eigennutz kombiniert mit Schaden für andere ist Räuberei, dagegen sind wir gut aufgestellt mit Gesetzen, der Polizei, der kleinbürgerlichen Moral sowie anderen mehr oder weniger nützlichen Einrichtungen. Der Kabarettist Josef Hader bezeichnet die Dummheit als real existierende Macht über uns. Und ich frage mich: Wer schützt uns vor ihr? Natürlich vor der Dummheit anderer, wir selbst sind ja gottlob immun dagegen.

Man muss der Dummheit zugute halten, dass ihre Urheber nur Gutes wollen. Doch das zählt nicht, denn Eigensinn, Borniertheit, Sturheit und Engstirnigkeit schaden allen: Sie ist eine Strategie des maximalen Unglücklichseins. Wer sie erkennt muss sie beim Namen nennen und ihr entgegentreten. Etwas dumm zu nennen halte ich keineswegs für beleidigend. Es ist eine sachliche Beschreibung wie „groß“ oder „klein“, nur dumm ist einfach das Gegenteil von klug, die Abwesenheit von „klug sein“. Klugheit bringt Dinge in einen Zusammenhang, löst Gegensätze auf, verknüpft Informationen widerspruchsfrei, betrachtet Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven und ist dazu bereit und in der Lage, persönliche Meinungen zu modifizieren oder zu ändern, sie kann Gefühle von Argumenten unterscheiden und eigene Grenzen akzeptieren. Damit lege ich absichtsvoll die Latte als Maßstab hoch an. Das geht nicht alles und immer gleichzeitig. Wenn aber nichts von alledem geschieht, dann ist das dumm!

„Stultus est sicud stultus facit“ hat sich Forrest Gump bei den alten Lateinern abgeschaut: „Dumm ist, wer Dummes tut.“ Nicht immer, muss man einschränkend sagen. Jeder macht mal was Dummes. Doch wer nicht zuhört, systematisch Argumente missachtet oder dauerhafte Denkverweigerung betreibt, der ist mit hoher Wahrscheinlichkeit dumm. Selbst wenn kein schuldhaftes Versagen vorliegt, es bleibt dumm unabhängig von der Geschichte davor.

Was man gegen Dummheit tun kann? Das Wichtigste zuerst: immer wieder in den Spiegel schauen. Gute Therapien beginnen bei einem selbst. Immer unterscheiden zwischen Argument und Gefühl, zwischen persönlicher Meinung, einer Hypothese und einer wissenschaftlichen Erkenntnis (siehe dazu zum Beispiel hier).

Mit diesem gedanklichen Rüstzeug sollte ein jeder im Interesse der Meinungsfreiheit Dummheit als solche bezeichnen und ihr in seiner Gegenwart energisch entgegentreten. Damit ich hier richtig missverstanden werde: Ja, hier, in diesem unserem Lande soll ein jeder sagen dürfen, was er denkt. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aus triftigen Gründen hält das Grundgesetz die Grundrechte, speziell dieses sehr hoch. Das soll auch so bleiben. Punkt.

„Hier darf man doch wohl noch sagen, was man denkt!“ Ja, darf man. Soll man sogar! Ich bin sogar bereit, mich lautstark dafür einzusetzen, dass hier jeder das darf. Doch wenn jemand darauf pocht, hier doch wohl alles sagen zu dürfen, folgt dieser Äußerung meistens oder ist ihr vorausgegangen, je nachdem: ausgemachter Blödsinn! Man darf eben nicht sagen, was man denkt. Bei mir nicht! Weil bei bestimmten Dingen höre ich nicht mehr zu. Und ich lasse es in meinen Veranstaltungen auch nicht zu, dass dort Blödsinn verbreitet wird. Ich höre einfach nicht zu und biete auch keine Plattform dafür. Ausrufezeichen!

Andere Meinungen schätze ich sehr. ein gepflegter öffentlicher oder privater Disput ist großartig. Ohne Meinungsstreit keine neuen Ideen, Stillstand. Doch es gibt einen Unterschied zwischen einer anderen Meinung und Blödsinn. Im Moment in aller Munde im Gewand von Verschwörungstheorien, ein beschönigender Begriff: in Wirklichkeit sind es Idiotien. Meinungsfreiheit ist das Recht, auch den größten Blödsinn sagen zu dürfen. Aber niemand erzwingt, dass man sich das anhören muss.

Wir tun also gut daran, die freie Meinung nicht mit deren Feinden alleine im Regen stehen zu lassen und Farbe zu bekennen. Unsere eigene Meinung mit guten Argumenten zu vertreten, dazu interessiert, demütig und neugierig gegenüber den Meinungen anderer zu sein. Keine Bange vor dem, was gesagt gehört. Dazu gehört ausdrücklich das Zurückweisen von Blödsinn in der Verkleidung von Verschwörungsgeschwafel und anderen Dummheiten.

Ob das hilft? Zweifel sind angebracht, es wäre aber mal ein Anfang zu einer Renaissance der Aufklärung.

 

 

 

 

 

 

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